Blind Spot, Phyllis Kiehl

On a photo series by Parastou Forouhar, 2001

A human figure veiled from head to foot, the original surroundings cut out by computer and replaced with pure white.
A black, patterned chador is draped fluidly around the figure, who appears to be kneeling in prayer, and whose position alters slightly from image to image. Another motif, smaller this time, shows the same figure, from the chest upwards, again in slightly different positions. The figure in the chador is a man. He has no face. Instead, the viewer is confronted with the back of a shaven head, a smooth, skin-coloured protuberance that has no identity. Only a band of grey stubble betrays the gender of this human figure that has been reduced to mere form.
The photo series by Iranian artist Parastou Forouhar leads the viewer into a black-and-white non-space in which the harsh silhouettes of the bodies appear as absurd manifestations of a sterile world. Almost life-size, the rear view of a man’s head in a chador addresses us with an immediacy that demands a fearless response. But what is it all about? The figure effortlessly foils our prejudices and casts them back at us: Who is speaking? With what right? In which language? And beneath the veil, we glimpse an offer so deceptively obvious that it might be an advertisement. What irony that holds for those who immediately “understand” Forouhar’s super-signs of alienation.
The figures are sitting and standing in a world detached, a world that cuts through pathos with a well-honed scalpel. Literally.
Of course, we can go along with that. But it is precisely because they seem so strange and so funny and so rigidly immobile in the face of their own inherent potential that our gaze tries to avoid the close-up, and we start looking around for other expressions of reality. As we step back, we see the space Forouhar has occupied in a new context. Black forms align, the gaze drifts through the room, past flesh-coloured hemispheres. Sometimes in full, sometimes in profile, these blind spots in the robes mark a hitherto unknown body area.
On any given map, a blind spot would mark an uncharted area where we would be likely to find life and forms similar to those in the immediate surroundings. Yet this cannot be proven as long as no-one has been there and documented it.
In spite of the harsh outlines, that would seem to be the task we face when confronted with Forouhar’s installation. No prescribed vocabulary, no hastily interpretative approach should influence the dialogue to be conducted in this room of empty faces.
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Blind Spot; Fotoserie von Parastou Forouhar, Phyllis Kiehl, 2001

Eine von Kopf bis Fuß verschleierte menschliche Figur, deren ursprünglicher Umraum im Computer ausgeschnitten und durch reines Weiß ersetzt wurde. Ein schwarzer, in sich gemusterter Tschador legt sich in fließenden Falten um den scheinbar im Gebet Knieenden, dessen Körperhaltung von Bild zu Bild leicht variiert. Eine andere Motivauswahl, kleinere Formate, zeigt die gleiche Figur vom Oberkörper aufwärts, auch hier leichte Unterschiede im Gestus. Beiden Serien ist eines gemein: Die Gestalt im Tschador ist ein Mann, und er hat kein Gesicht. Vielmehr streckt sich dem Betrachter ein kahlgeschorener Hinterkopf aus dem unter dem Kinn festgesteckten Tschador entgegen, ein hautfarbener, glatter Auswuchs ohne Identität. Nur ein paar graue Stoppeln, die Glatze umrundend, geben das Geschlecht des in der Form gebannten Menschen preis.
Die Fotoserie der iranischen Künstlerin Parastou Forouhar führt den Betrachter in einen schwarz-weißen Nicht-Raum, in der die harten Silhouetten der Körper wie absurde Manifestationen einer sterilen Welt wirken. Beinahe lebensgroß, buchstabieren die Rückansichten des Männerschädels im Tschador eine Ansprache, die dem Betrachter einige Unerschrockenheit abverlangt. Doch wovon ist die Rede? Vor-Urteile fängt die Gestalt mühelos ab und wirft sie als Frage zurück: Wer spricht? Mit welchem Recht? In welcher Sprache? 
Und unter dem Schleier blitzt überdies ein täuschend naheliegendes Angebot hervor, beinahe werbetauglich: Ironie für denjenigen, der Forouhars Superzeichen der Entfremdung sofort »versteht«. 
Die Figuren sitzen und stehen in einer freigestellten Welt, die dem Pathos mit scharfem Skalpell zu Leibe rückt. Im wahrsten Sinne. Dem kann man sich natürlich anschließen. Doch gerade, weil sie von sich aus so fremdartig lustig und ihrem innewohnenden Potential gegenüber so in Strenge erstarrt sind, will der Blick des Betrachters sich von der Nahsicht abkehren und nach weiteren Formulierungen der Realität Ausschau halten. 
Einige Schritte zurücktretend, zeigt sich der von Forouhar in Besitz genommene Raum bereits in anderem Zusammenhang. Schwarze Formen reihen sich aneinander, der Blick wandert an hautfarbenen Halbkugeln durch den Raum. Mal vollflächig, mal im Profil markieren diese blinden Flecken in den Gewändern eine bisher unbekannte Körper-Fläche.
Auf einer beliebigen Landkarte würde ein blinder Fleck jenes Terrain bezeichnen, wo man vermutlich ähnliches Leben, gleichartige Formen anträfe wie in dessen unmittelbarer Umgebung: Beweisen ließe sich das jedoch nicht, solange ihn nicht jemand erforscht, und bezeichnet hätte.
Das scheint auch, dem Anschein der harten Konturen zum Trotz, die Aufgabe im  Angesicht der Forouhar’schen Installation. Kein vorgeformtes Vokabular und keine eilig interpretierende Haltung sollte das Zwiegespräch beeinflussen, das es im Raum der leeren Gesichter zu führen gilt.
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