Die Freiheit, auch die des Unsinns, Susann Witsch

BÖLL; das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung, Ausgabe 1, 2006
Die Bewegung der iranischen Künstlerin Parastou Forouhar zwischen Kunst und Politik der Kulturen

Parastou Forouhar verließ 1991 den Iran, um an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach zu studieren. Sieben Jahre später fielen ihre Eltern, Dariush und Parvaneh Forouhar, einem politischen Mord zum Opfer. Das Verbrechen erregte anhaltende Empörung in der Bevölkerung, auch deshalb, weil damit gezielt versucht worden war, das Nervenzentrum der demokratischen Opposition auszulöschen. In den darauf folgenden Jahren bemühte sich Parastou Forouhar unablässig, die Regierung zur Aufklärung der Morde zu veranlassen. Aufgrund der wachsenden öffentlichen Aufmerksamkeit sah sich diese letztlich zu einer Reaktion gezwungen und bot der Familie Forouhar an, die Handlanger zum Tode zu verurteilen. Der Vorschlag wurde zurückgewiesen und daraufhin die Akte für immer geschlossen.
Die Künstlerin Parastou Forouhar hält diese Akte weiter geöffnet. Seit 2001, anlässlich einer Ausstellung in der Schirn Kunsthalle Frankfurt, zeigt sie die Arbeit “Dokumentation“, eine Auswahl der Korrespondenz und der offiziellen Entscheide und Gerichtsurteile, begleitet von Zeitungsartikeln und Texten, welche den Versuch der Aufklärung an den Morden aufzeichnen. Dem gleichen Thema ist der Zyklus Tuschezeichnungen (“Schuhe ausziehen“, 2002) gewidmet. Dort sieht man die Künstlerin und ihre Anwältin in Wartezimmern sitzen. Von den Beamten werden sie zurechtgewiesen, danach in einer endlos erscheinenden labyrinthischen Ämterschlaufe, weiter verwiesen. In beiden Arbeiten werden die unheimliche Atmosphäre im Iran und die Mühseligkeit des Widerstands erahnbar.
Die Künstlerin beschreibt die Islamische Republik Iran als eine Landschaft, in die ein Gitternetz eingedrückt wird, welches den Rahmen jedweder Existenz vorschreibt. Dieses Raster ist das Ornament, “welche die Allmacht des Schöpfers in einem idealisierten Zeichen spiegelt. Diese unantastbare Harmonie birgt ein großes Potential an Brutalität. Was sich dieser ornamentalen Ordnung nicht unterwirft, ist nicht darstellbar – und damit nicht existent.” (P.F). Dass sich die iranische Diktatur in dieses Muster einschreibt, ist unübersehbar. Im vergangenen August etwa hielt der scheidende Ministerpräsidenten Chatemi zwei Reden, die vom staatlichen Fernsehen ausgestrahlt wurden. Die Wand hinter ihm war mit der Reproduktion einer antiken Rosenranke überzogen, um seine Gestalt zu glorifizieren. Diesen Kanon abstrakter Herrschaft hat Parastou in verschieden Arbeiten präzise auf den Punkt gebracht. “Eslimi” (2001) sind Stoffmuster, die sich bei genauerem Hinsehen als Genitalien, Scheren, Gabeln und Messern oder wachsamen Augen entpuppen. In den Animationen “Tausendundein Tag” (2005) drehen, öffnen und schließen sich fleischfarbene Blüten sich zu einem Ornament. Diese Knospen bestehen allerdings aus Menschenleibern, die gefesselt in Schnüren hängen und das Ornament strukturieren, oder deren Fesseln von Folterknechten in die Form eines Ornaments gezerrt werden.
Parastou Forouhar zeigte diese Arbeit im Rahmen einer großen Einzelausstellung im Deutschen Dom in Berlin. Im Iran kann sie ihr Werk nicht ausstellen, da es zu eindeutig Stellung bezieht. Dennoch eröffnet ihre künstlerische Strategie einen Zugang, die kritische Kunst im Iran zu verstehen. Die iranische Opposition hat sich u.a. in das Feld der Kunst und Kultur zurückgezogen und kratzt ebenfalls unermüdlich an der hermetischen Oberfläche der politischen Bilder, deren Risse immer deutlicher sichtbar werden. Die Kunst des ästhetischen Widerstands ist deshalb weder als marginal noch elitär, sondern muss als politischer Widerstand begriffen werden.

Während Parastou Forouhar im Iran als politische Oppositionelle bekannt ist, wird sie in Deutschland durchaus als Künstlerin wahrgenommen. Ihr Werk wird jedoch einseitig auf seine politische Dimension reduziert. Denn der Kraft des “aufrechten Gangs” (Ernst Bloch) stellt die Künstlerin einen augenzwinkernden Umgang mit den täglichen Herausforderungen entgegen. Diese Synergie bestimmt sowohl ihr Leben als auch ihre künstlerische Haltung. Viele ihrer Arbeiten beschreiben die blinden interkulturellen Flecken und bauen die Brücken mit subtilem Humor.  In der Fotoserie “Swanrider” (2005, Künstlerhaus Schloss Balmoral) sehen wir eine Frau im schwarzen Tschador (in der Würde der iranischen Frau) einen See mithilfe eines Plastikschwans befahren. Im selben Jahr bemalt die Künstlerin eine heilige indische Kuh mit persischen Schriftzeichen, deren zusammenhangslose Wortreihen nicht nur religiöse Spannungen auflösen, sondern auch die Freiheit des Unsinns behaupten.
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